C 63 S AMG Coupé

"Erleben Sie dynamische Perfektion, die Ihren Puls beschleunigt. Atemberaubende Technik. Markantes Design. Edles Interieur. Fahrspass pur." so steht es auf der Einladung zum heutigen AMG Event. Ob diese Marketingphrasen auf das neue C 63 S AMG Coupé zutreffen, versuche ich herauszufinden.

Kombi und Limousine der aktuellen C- Klasse gibt es bereits seit 2014, das Coupé wurde uns zur IAA im September 2015 vorgestellt, und ist nun auch mit dem grossen AMG-V8 lieferbar. Ob der Hobel hält was das Marketing verspricht sei nachfolgend erläutert.

Atemberaubende Technik:
Technisch ist der C 63 S sicher sehr gut gerüstet. Mit 510 PS und 700 Nm in einem Mittelklasse Wagen macht ihm so schnell einer was vor. Klar, der neue Alfa Giulia Quadrifoglio kommt auch auf 510 PS, aber nur 600 Nm aus einem 3.0-Liter-V6-Turbo. Diese Leistung kommt beim Vierliter-V8 der Schwaben aber organischer daher, denn Hubraum ist ja bekanntlich nur durch noch mehr Hubraum zu ersetzen, was auch für den Vergleich zweier Turbomotoren gilt. Der Konkurrenz aus München fehlen da fast 80 PS und 150 Nm und vom kommenden RS 5 ist noch wenig bekannt. Getriebetechnisch sind die AMGs jedoch nicht ganz so atemberaubend aufgestellt wie es sein könnte. Sowohl der M3/M4 als auch der Alfa sind als Doppelkuppler erhältlich, der neue RS 5 aller Wahrscheinlichkeit nach auch. AMG setzt hier nach wie vor auf die Speedshift MCT genannte Wandlerautomatik. Von daher lässt sich das atemberaubend nicht vollends auf das Getriebe applizieren.

Markanntes Design:
Diese Aussage ist definitv zutreffend. AMG macht keinen Hehl daraus zu zeigen, was der C 63 S unter der Haube und den Kotflügeln sitzen hat. Eine massive Frontschürze, zwei lang gezogene Finnen über die Haube, Seitenschweller, Abrisskante auf dem Kofferraum und eine vierflutige Abgasanlage die Töne von sich gibt die mit dem Wort "dreckig" noch nicht mal im Ansatz beschrieben sind. Auch baubedingt, durch die kompaktere Form gegenüber der Limousine wird das Coupé nochmal eine Schippe markanter, weshalb die Aussage Markanntes Design vollkommen zutrifft.

Edles Interieur:
Die Benzen waren ja schon immer bekannt für Qualität und Verarbeitung. Im C Coupé scheint das nicht anders zu sein. Materialqualität, Haptik und Verarbeitung erscheinen top, die in ihrem Aufbau nach Schalensitzen anmutenden, jedoch mit genügend Leder überzogenen Sitze bieten ausreichend Seitenhalt, auch und gerade im Bereich der Beine. Die beiden weissen Seitenlinien, die vielen Carbonapplikationen, die IWC Uhr in der Mitte, sowie das mittig mit Alcantara bezoge Lenkrad machen das Interieur zu einem edlen Arbeitsplatz. Somit lässt sich die Behauptung edles Interieur definitv bejahen, doch seien hier noch zwei Dinge angemerkt. Einige dieser edlen Zutaten sind nur gegen Aufpreis erhältlich und die Konkurrenz hat was Interieur betrifft in den letzten Jahren auch nicht geschlafen, weshalb der einstige Vorsprung nicht mehr ganz so gross ausfällt.


Fahrspass pur:
Definitv die wichtigste Disziplin und weil nur gerade 20 Minuten Fahrzeit zur Verfügung stehen, heisst es Startknopf drücken, das Wummern des noch nicht ganz warmen V8 geniessen und Fahrwerk und Getriebe in Sport Plus stellen (Race ist bei Erstkontakt mit dem AMG wahrscheinlich nicht empfehlenswert). Der St. Luzisteig eignet sich gut und gern für eine kleine und kurze Kurvenhatz, da gibt's das ganze Spektrum von engen Kehren bis "am oberen Ende des bezahlbaren Bussenkatalogs-Knicke".


Schnell kommt der Schwabe auf die 80°C Öltemperatur, und der Schleicher im Nissan vor mir ist denn auch nach der ersten kurzen Gerade gleich mal hinter mir. Kaum zu glauben wie vehement der AMG schon aus dem Drehzahlkeller drückt, ganz zu schweigen von den auditiven Begleiterscheinungen. Untenrum brodelt und rotzt der V8 dermassen laut und männlich, dass ich mich eher frage ob die Herren bei AMG den Prüfern ein manipuliertes Dezibel-Messgerät in die Hand gedrückt haben. Dieses herrliche Rotzen muss ich noch einmal hören, also vor der nächsten Kurve links am Paddel ziehen und der AMG schaltet mit Zwischengas zurück. Scheitelpunkt anvisieren und danach wieder voll auf den Pinsel, um auch mal zu sehen und zu hören wie den die oberen Drehzahlen so daherkommen. Dank den 700 Nm die da drücken sind wir trotz Bergauffahrt und Beifahrer schnell bei über 5000/min angekommen, wo der V8 dann herrlich knallt und fast schon kreischt.

Dieses Spiel von rauf und runterschalten könnte ich den von mir aus den lieben langen Tag so weitermachen, doch so mit der Zeit und den vielen Schaltvorgängen fällt dann der grösste Schwachpunkt des C 63 immer deutlicher auf. Das Getriebe, für einen Wandler sehr schnell und angenehm zu fahren, ist halt trotzdem nicht so gut wie ein Dopplekuppler. Wer die Getriebe aus dem M4, den 911ern oder den Ferraris kennt, der weiss, da hat AMG noch Nachholbedarf. Es ist nicht die Schaltgeschwindigkeit als solches, die verdient das Prädikat einwandfrei, als vielmehr die Zeit die zwischen dem Ziehen am Paddel und dem Umsetzen dieses Befehls vergeht, da hat AMG noch Luft nach oben. Apropos oben, mittlerweile bin ich ganz oben bei der Festung St. Luzisteig angekommen, wo ich eine etwa drei Meter lange Tordurchfahrt erblicke. In pubertärer Manier halte ich an, lege den Neutral ein und spiele ein bisschen mit dem rechten Fuss. Nicht nur ich neheme die Schallwellen auf, auch die Armee, die hier oben irgend eine Übung abhält fragt sich wohl woher denn hier diese Gewehrsalvenähnlichen Töne kommen. Der C 63 S AMG spielt hier definitv in der Ohrgasmus-Liga.



Die anschliessende Bergabfahrt lässt denn vor allem die Fahrwerks- und Bremsqualitäten zum vorschein kommen. Erstgenanntes ist über alle Zweifel erhaben, solange wir uns auf öffentlichen Strassen mit einem gewissen Restkomfort bewegen wollen. Für Rennstreckenbesuche ist das AMG Fahrwerk subjektiv eher weniger konzipiert, da scheinen mir die Derivate die nur den mittleren Buchstaben in AMG tragen etwas geeigneter. Hinsichtlich der Bremse lassen sich keine nennenswerten Schwächen erörtern. Sie ist fein zu dosieren und beisst bei Bedarf brutal zu. Gut, unser Testwagen ist mit der knapp 6000 Franken teueren AMG Keramik Hochleistungs-Verbundbremsanlage ausgestattet, da wollen wir auch hoffen dass dem so ist.

Abschliessend lässt sich sagen, dass das C 63 S AMG Coupé ein wirklich toller Wagen ist. Optisch, Fahrleistungsmässig und soundtechnisch etwas vom Besten was es in dieser Klasse zu kaufen gibt. Auch wenn die 20 Minuten Fahrt viel zu schnell rum waren, kann auch ein grosser Haken hinter Fahrspass pur gesetzt werden, denn in dieser kurzen Zeit versteht es der AMG derart zu begeistern, dass man drei Tage später immernoch die Augen schliesst und sich besagte Minuten in Erinnerung ruft.

Angefixte können schon mal auf die Suche nach 106'000 Franken gehen, denn soviel kostet der Spass. Wer mehr auf oben ohne steht, darf sich durchaus überlegen zum Cabrio zu greifen, denn der C 63 S AMG sieht auch als Cabrio top aus, und das bisschen Einbusse bei den Fahrleistungen (4.1 statt 3.9 Sekunden auf Tempo 100) macht das ungefilterte Klangerlebnis im Vergleich zum Coupé wieder wett.

Mehr AMG gibt's hier.


05.07.2016

Text: Tom's Car Blog
Bilder. Tom's Car Blog