First Things first: selbst an diesem Tag sollten nicht alle Teilnehmer der Porsche Herbstausfahrt mit den technischen Daten und Fakten der entsprechenden Modelle vertraut sein. Wenn dir das auch so geht, dann schau dir hier das genaue LineUp an.
3. Oktober, 7:30 Uhr, Porsche Schweiz Hauptquarter in Rotkreuz. Vier 911 Carrera (4) GTS und ein 911 Carrera 4S Cabrio der Baureihe 991, sowie 2 Boxster GTS, ein Panamera GTS, ein Cayenne S und amuse bouche ein Macan Diesel stehen zum Ausritt bereit. Unsere heutige Tour führt von Rotkreuz über den Hirzel und die A3 nach Thusis, danach über den Julier nach Surlej zum Mittagessen. Am Nachmittag geht’s über den Albula nach Tiefencastel und danach über die Lenzerheide wieder nach Chur um via A3 und Hirzel wieder nach Rotkreuz zurückzufahren.
Wenig später heisst es dann endlich Platz nehmen im 991 Carrera 4S Cabrio, quasi Mr. 291’s Dienstwagen. (den Namen haben sie mir bei der Ausfahrt ins Porschemuseum in Stuttgart gegeben, man kann sich ja denken warum). Vertrautes Sitzen, auch wenn der Grössenunterschied zu meinem 997 Turbo doch deutlich vorhanden ist. Nicht nur sitzt mein Beifahrer Peter weiter weg, auch ich habe in den 991ern deutlich mehr Platz zum schalten und walten. A propos schalten. Heute gibt’s nur PDKs, also die Doppelkupplungsgetriebe zu fahren, nichts mit den 7-Gang Handschaltern. Schade irgendwie, aber die PDKs bringen eben schon mehr Laune in die Bude. Die Schnellstrasse nach Sihlbrugg eignet sich denn auch bestens um den Carrera warmzufahren, schliesslich soll er beim geplagt werden nicht allzu sehr leiden müssen.
Die paar Minuten später steht denn da auch Wasser 80°C, Öl 90°C. Zeit die Sporttaste zu drücken, den Klappenauspuff zu öffnen, den Abstand zum Vordermann zu vergrössern und 2 mal am linken Schaltpaddel zu ziehen. Sportlich aber nicht martialisch schaltet der 911er zurück, Drehzahl optimal bei etwa 4500/min, um nach dem Ausserortsschild voll auf den Pinsel zu treten. Keine Zweifel, der Sauger springt förmlich nach vorn, so als wäre mir jemand ins Heck geknallt. Doch nix da, schon stehen 7000/min an, der 3.8-Liter-Boxer kreischt wie eine Horde wild gewordener Paviane, die Redline ist beinahe erreicht, also rechts am Paddel ziehen, und weiter stürmen. Doch die Strasse macht einen leichten Rechtsknick, also Fuss vom Gas, dem Blubbern bei der Gaswegname zuhören und ehe der Scheitelpunkt erreicht ist, wieder voll Lotte draufsteigen. Das Ansprechverhalten des Saugers ist so direkt, da kommt ein Turbomotor nie und nimmer heran. Hier gibt’s keine „Gedenksekunde“, kein Druck der aufgebaut werden muss, es ist frei nach Ferry Porsches Vorstellung: „wenn man drauftritt muss er schiessen!“ Die schnelle aber weite Strasse über den Hirzel ist nett zum selber warm werden, doch der 911er nimmt‘s gelassen. Die Anzeige mit der Antriebsverteilung vorn/hinten zeigt nie Ausschläge nach vorn, soll heissen, auf dem breiten Hirzel kann ich noch so in die Kurve steigen, die Traktion auf der Hinterachse reicht stets aus, den 295er Schlappen und dem Heckmotor sei Dank. Da freu ich mich schon auf den Julier, da wird’s enger, …und der Albula erst.
Nun folgt ein bisschen Schweizer Autobahn fahren. Das macht zwar auch Spass (es gibt da ja ein paar Tunnels in denen mal ein bisschen „blöd tue“ kann), doch insgesamt ist der 991er der verglichen mit seinem Vorgänger 997 einen deutlich längeren Radstand hat, viel ruhiger zu fahren. Trotzdem, ein GT ist er noch nicht.
Auf dem Weg zum Julierpass hoch lässt sich das in jeder Kurve aufs Neue erleben. Jeder Zug an der linken Lenkradwippe wird mit einem massiven Zwischengasstoss untermalt, das Gripniveau in den engen Kurven ist enorm, auch wenn hier die Traktion doch deutlich vom Eingreifen des variablen Allradantriebs profitiert. Im ersten Gang aus engen Haarnadelkurven rausbeschleunigen geht nicht ohne kurzfristige Momentverteilung nach vorn. 4000, 5000, 6000/min, der Boxer dreht so schnell hoch, zu kommst mit zuschauen kaum nach, es geht nur noch nach Gehör, 7000/min längst sind alle Nackenhaare aufgestellt, und die Gänsehaut da, da verlangt der GTS nochmals 500/min mehr, eher er bei 7500/min zum nächsten Schaltvorgang bittet. Ein Spiel das ich doch gerne exerziere, wissend dass es mit jedem höheren Gang mehr Spass macht, weil’s länger andauert. Derweil muss sich unser Fahrinstruktor im Panamera e-hybrid vor mir gehörig sputen um mir nicht die Laune zu verderben, und das obwohl ich nicht allerletzte Rille fahre, schliesslich will ich den „zum Gebrauch entwendeten GTS“ ja nicht in die Bündner Berge werfen.
Mit Sicherheit macht der GTS genau in diesem Terrain am meisten Spass, er passt zu einer kurvigen Bergstrasse wie Roger Federer zum Tennisplatz, wie Berlusconi zu Italien, und wie Ananas zum Mülleimer. Ich bin überzeugt, dass der 911 Carrera GTS der Baureihe 991 immer ein beliebtes Auto bleiben wird. Klar, es ist ein Porsche, ein 911er, aber vor allem schlägt in ihm die letzte Ausbaustufe des 3.8-Liter-Saugers in einem "normalen" Carrera. Von nun an werden die 911er ja von einem Turbo beföhnt. Wenn man bedenkt wie geschimpft wurde als mit Einführung der Baureihe 996 die Motoren nicht mehr Luft- sondern Wassergekühlt wurden, so wird bestimmt in Zukunft noch viel darüber geschrieben werden, wie schön doch die Sauger-Zeit war. Derjenige der dann einen 991 GTS in seiner Garage stehen hat wird sich ein schelmisches Lächeln nicht verkneifen können. Preislich wissen wir ja auch wo die letzten Luftheuler grad so hingehen, wieso soll‘s dann mit den letzten Saugern in 15 Jahren nicht genauso sein?
Doch zurück zum Porschefahren. Das hat sich für mich für den Moment erledigt, ich muss auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Ich werde von Peter (einem andern Porsche Enthusiasten) vom Julier ins Engadin chauffiert. Ich schreibe ja keine Beifahrberichte, also gibt’s leider nichts zum Boxster GTS zu berichten. Ich hab mir sagen lassen ist toll, weil GTS und Mittelmotor, jaja, schon gut, fahren will ich. Es ist denn auch eines organisatorischen Patzers zu verdanken, dass mir das Fahren des Boxster GTS heute verwehrt bleibt. Seis drum, ich kanns nicht ändern, sondern frage Peter ein bisschen über seinen 993 Carrera 4S aus (ja genau ein eben solcher „Lufthüüler“ der preislich grad über den Julier geht), schliesslich gibt’s von denen in der Schweiz gerademal noch eine Handvoll auf dem Occasionsmarkt. Gut wenn man da jemanden kennt…
Zum Mittagessen gibt’s nur Gutes zu sagen, fein, in einer coolen Location im schönen Surlej. Doch ich schreibe keinen Foodblog, also 90min vorspulen, zurück auf den Parkplatz, und den Zonk gezogen geht’s eben nicht im Boxster GTS sondern im Cayenne S weiter. Nun ja, das will ich euch nicht in vollem Umfang antun, denn es gibt wirklich spannenderes als zu lesen wie jemand mit dieser Badewanne (Jörg, danke fürs Copyright) über den Albula und die Lenzerheide fährt. Werte Leser, es ist ein grosser, schwerer Klotz, er geht längsdynamisch so gut wie er querdynamisch nicht geht. Ich steh einfach nicht auf die SUVs, das heisst nicht von einem „driving pleasure point of view“. Klar, das ist alles toll verarbeitet, das ist auch ein Porsche, aber er berührt mich nicht. Das ist für mich wie Julia Roberts, und Catherine Zeta Jones, da sagen auch alle die seien attraktiv und ich suche dort seit 15 Jahren die Attraktivität, und genauso suche ich das Sport in Sports Utility Vehicle.
Next in Line, der Macan, alles gut, viel kleiner als der Cayenne, optisch meiner Meinung nach attraktiver als der Cayenne aber unser Testwagen ist mit einem Diesel bestückt und da hört’s dann aber wirklich auf für mich. Das ist dann quasi eine Catherine Zeta Jones in mit roten Haaren. Ich versuche gerade das Trauma zu verarbeiten, ich will es nicht wieder aufleben lassen. Punkt. Basta. Aus. Ende. Amen.
Zum Abschluss wird es aber nochmals besser, auch wenn die Rochaden der Wagen mittlerweile etwas willkürlich sind. Doch wer fährt nicht gern auch noch ein zweites Mal mit einem Carrera 4S Cabrio (und diesmal offen, weils in der früh zu kalt war) vom Heidiland über den Hirzel zurück nach Rotkreuz.
Die 911-Sauger-Carreras sind wirklich sensationell zu fahren. Genügend Leistung, Super Sound, tolles Ansprechverhalten, in Summe einfach ein emotionales Auto, und darum gehts ja auch. Ob das die Turbo-Carreras dann auch oder sogar besser können, habe ich vor in meiner To Drive 2016-Liste herauszufinden. Bis dahin fahre ich selber noch ein bisschen Turbo, allerdings ohne Carrera.
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21.10.2015
Text: Tom's Car Blog
Bilder: Tom's Car Blog