Ein Besuch im Museo Lamborghini Sant'Agata Bolognese


Das Lamborghini Museum bzw. Sant'Agata zu finden ist, wenn man nicht an jeder der zig kulinarischen Highlights in der Emilia Romagna Halt macht, ganz einfach. Hinter jedem Wegweiser nach Sant'Agata steht denn auch Citta della Lamborghini, und genau da will ich heute hin. Zum Lamborghini Hauptquartier, inkl. Museum.


Je näher ich denn auch nach Sant'Agata komme, desto öfter werde ich von freisaugenden Zehn- und Zwölfzylinder begrüsst. Der Huracán ist quasi der VW Polo von Sant'Agata, der Aventador immerhin so oft zu sehen wie ein 3er BMW bei uns. Last but not least hält dann an der örtlichen Tankstelle direkt neben mir noch ein Aventador Superveloce. Das scheint hier ganz normal und tagtäglich so zu gehen.

Doch bevor wir das Museum betreten, noch ein paar geschichtliche Informationen zu Lamborghini und wie es denn dazu kam, dass der ehemalige Traktorenbauer zum Sportwagenbauer geworden ist. 

Ferruccio Lamborghini, geboren 1916 war ein erfolgreicher Unternehmer in Ferrara, in der Nähe von Bologna. Seine Geschäfte als Traktorenbauer liefen in der Emilia Romagna (und auch darüber hinaus) so gut, dass er sich die nicht weit entfernt von Enzo Ferrari produzierten Sportwagen leisten konnte. Lamborghini war ein begeisterter Sportwagenfahrer und nannte unter anderem einen 250 GT sein Eigen. Doch Lamborghini war (so ist das mindestens historisch übermittelt) mit der Kupplung der 250 GT nicht sonderlich zufrieden, was er Enzo Ferrari auch persönlich wissen liess. Nun ich kann mir gut vorstellen, dass in diesen Ausdrucksweisen einige "porcas" gefallen sind, was scheinbar nach einigem Hin und Her zwischen den beiden dazu geführt hat, dass sich Ferrari zu der Aussage hinreissen liess, dass sich Lamborghini doch besser um Traktoren als um (Sport)Wagen kümmern soll.



Lamborghini hat daraufhin beschlossen, das Heft selbst in die Hand zu nehmen, und begann 1963 damit ebenfalls Sportwagen zu bauen. Unter dem Mitwirken einiger Experten entstand somit 1964 der 350 GT, der erste Lamborghini.


Schon damals setzte Lamborghini auf eine Aluminiumkarosserie, Einzelradaufhängung und Scheibenbremsen. So sollten in den Jahren 1964 bis 1966 vom 350 GT immerhin 120 Stück durch die Carrozzeria Touring gebaut werden. Die 350 im Namen stand für die 3.5 Liter Hubraum, welche auf 12 Zylinder verteilt wurden. So leistete der 350 GT immerhin 280 PS was für eine Spitzengeschwindigkeit von 250km/h reichte. Die späten Versionen des 350 GT besitzen gar einen 4-Liter-V12 zwar mit gleicher Leistung aber höherem Drehmoment. Die Carrozzeria Touring hat vom 350 GT ebenfalls zwei Spyder (350 GTS) gebaut.


Lamborghini begnügt sich jedoch nicht mit diesem einen Modell, sondern entwickelt dieses konsequent weiter. Es wird ab 1966 nur noch der 4-Liter-V12 verbaut, doch immerhin mit einer Mehrleistung von 40 PS, sodass der neu 400 GT 2+2 genannte Coupé seinem Fahrer 320 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h ermöglicht. Der 400 GT 2+2 ist zwar etwas länger als sein Vorgänger, doch im Innenraum deutlich geräumiger. Das neue Modell ist ein Erfolg, denn Lamborghini kann vom 400 GT 2+2 in den Jahren 1966 bis 1968 250 Exemplare (23 als reine 2-Sitzer) verkaufen, was einer Verdoppelung gegenüber dem 350 GT entspricht.

1968 beschliesst Lamborghini ein neues Modell durch Mario Marazzi bauen zulassen, nachdem die Carrozzeria Touring geschlossen wurde. So entstand der Islero, der zu Beginn vom bekannten 4-Liter-V12 aus dem 400 GT 2+2 mit 320 PS angetrieben wurde. Doch die Verkäufe des Islero hinkten den Erwartungen nach. Daran konnte auch die spätere Leistungssteigerung auf 350 PS im Islero S nichts ändern. Nach etwas über einem Jahr Bauzeit und 152 normalen sowie 70 S-Versionen war 1969 Schluss.


Ende der 1960er Jahre beschliesst Ferruccio Lamborghini ebenfalls nicht länger nur Sportwagen zu bauen, sondern sieht auch in einem Gran Turismo grosses Potential. So entsteht 1968 also zeitgleich mit dem Islero der erste viersitzige Lamborghini der Firmengeschichte, der Espada. Angetrieben vom 320 PS starken Vier-Liter-V12 aus dem 400 GT 2+2 und später von der 350 PS starken Version aus dem Islero S rennt der Espada trotz seinem Gewichtsnachteil und dem grossen Kofferraum immer noch 250 km/h.
 
Wie es sich für einen Gran Turismo der damaligen Zeit gehört verfügt der Espada über Extras wie Klimaanlage und Servolenkung. Ab 1974 ist sogar ein Automatikgetriebe erhältlich was ebenfalls verdeutlicht, dass der Espada mehr für die grosse Reise als für die Kurvenhatz ausgelegt ist. In den zehn Jahren seiner Bauzeit (1968-1977) verlassen nicht weniger als 1226 Espada die Hallen in Sant'Agata, was Lamborghini grosse wirtschaftliche Erfolge einbringt.



Wir schreiben nun das Jahr 1971 als eines meiner Top 5 der jemals gebauten Automobile vorgestellt wird. Der Miura P 400 SV, der erste Lamborghini mit einem Mittelmotor, und auch der erste den nach einem berühmten Kampfstier benannt wurde. Die normalen Miura Versionen, welche sich bereits seit 1966 parallel zum 400 GT und dem Islero verkaufen (was übrigens einer der Gründe für die miesen Verkäufe des Islero sein dürfte) sind bereits konsequent als Sportwagen ausgelegt. Doch die Kunden verlangen von Lamborghini mehr, weshalb eine verschärfte S-Version nachgelegt wird.



Doch auch der Miura S verkauft sich gut und die Nachfrage nach einem noch sportlicheren und noch kompromissloseren Miura bewegt Lamborghini dazu eine noch schnellere Version, den Miura SV (für Super Veloce) zu bauen. Nur gerade 150 Stück werden vom 385 PS starken und über 290 km/h schnellen Miura SV in den Jahren 1971 und 1972 gebaut. Wie rar diese Modelle auch heute noch sind zeigt sich daran, dass nicht einmal der Wagen im Lamborghini Museum der Firma Lamborghini gehört, denn auf dem Schild neben dem silbernen SV steht: "The car on display is a courtesy of Mr. Albert Spiess".

Wer heuten einen Miura P 400 SV sein Eigen nennen will, sollte mindestens zwei Millionen Dollar übrig haben, denn bei der letzten Auktion von RM Sotheby's wurde dieser Betrag für einen echten SV mit 25'000 Meilen von 1972 aufgerufen.


Doch fertig mit der Träumerei und weiter der brutalen Realität der frühen 70er Jahre. Wie alle Hersteller blieb auch Lamborghini von der Ölkrise und deren Folgen nicht unberührt. So musste ein neues, sparsameres und mit kleinem Motor versehenes Modell her. Dies war die Geburtsstunde des Urraco, der ab 1972 mit einem 2.5-Liter-V8 und 220 PS, ab 1974 mit einem 3-Liter-V8 und 250 PS ausgeliefert wurde. Doch Lamborghini muss gerade für die strengen Vorschriften und die hohen Besteuerungen für Motoren über 2-Liter Hubraum in seinem Heimmarkt Italien erneut reagieren und bietet den Urraco auch mit 2-Liter-V8 und 180 PS an. In den Jahren 1972 bis 1979 werden insgesamt 795 Urracos gebaut.



Die Zeiten der Ölkrise sind nun vorbei und Lamborghini kann wieder Autos bauen die den Namen Sportwagen verdienen. Und wie sich Lamborghini zurückmeldet. Der Countach war geboren, mit Flügeltüren, 375 PS und 315 km/h Höchstgeschwindigkeit. Der Countach (was im Übrigen im Piemontesischen Dialekt für non-plus-ultra steht), setzt wie sein eigentlicher Vorgänger, der Miura auf einen Mittelmotor, der jedoch im Gegensatz zu seinem Vorgänger längs und nicht quer eingebaut wurde (daher auch die Bezeichnung LP für Longitudinale posteriore, also längs hinten).



Im Museum in Sant'Agata bietet sich übrigens die Möglichkeit dieses ganz spezielle grüne Exemplar, zu betrachten, ist es doch zum einen der allererste Countach der gebaut wurde, quasi die Seriennummer 0001 und zum andern ist er grün, da Lamborghini die erste vorgestellte Designstudie des Countach am Automobilsalon in Genf in rot präsentierte, doch wenig später wollte er in Frankfurt ein weiteres Modell zeigen um zu beweisen, dass nicht nur ein Exemplar existiert. Da jedoch nur dieses eine gebaut wurde, wurde es kurzerhand von rot auf grün umlackiert, um den Eindruck eines weiteren Exemplars zu vermitteln.



Da die ganze Modellgeschichte des Countach über 25 Jahre (1974-1990) dauert, müssen wir an dieser Stelle etwas vorspulen, zum LP5000S QV, der letzten und stärksten Ausbaustufe des Countach. Wie er Name erahnen lässt, mit 5-Liter-V12, 455 PS Leistung und 500 Nm Drehmoment. Um der Fachwelt zu zeigen wozu Lamborghini in der Lage ist, liess Ferruccio höchst persönlich 2 Countach Turbo S auf Basis des 5000S QV bauen. Der knapp 5-Liter grosse V12 wurde von 2 Turboladern wahlweise per Dampfrad zwischen 0.7 und 1.5 bar unter Druck gesetzt. Resultat: irrwitzige 748 PS Leistung, 875 Nm Drehmoment und eine Höchstgeschwindigkeit von 333 km/h. Dies machte den Countach Turbo S zum damals schnellsten Auto der Welt.

Ende der 70er Jahre wird Lamborghini von der amerikanischen Firma MTI damit beauftragt einen Geländewagen zu bauen. So entsteht der LM 001 (für Lamborghini Military), doch erst nachdem der aus dem Countach bekannte 5.2-Liter V12 verbaut wurde und einige andere Änderungen vorgenommen wurden, war der nun LM 002 genannte Geländewagen fertig. Zwischen 1986 und 1992 wurden insgesamt 300 solcher LM 002 meist in die Arabische Welt verkauft.

1988 spielt Lamborghini mit der Idee ein Einstiegsmodell zu bauen, und aus heutiger Sicht muss man sagen, Gott sei Dank haben sie das dann erst 2003 mit dem Gallardo getan. Der P 140 von 1988 ist nämlich optisch nicht gerade eine Augenweide. Auditiv dürften die 4 gebauten Exemplare schon besser sein, setzte Lamborghini doch schon damals auf die Idee einen V10 mit 4 Litern Hubraum zu bauen. Im Museum erhält man jedoch nicht wirklich viele Informationen zum P140, weshalb ich gerne weiter schreite.

1990 geht nach 25 Jahren Bauzeit der Countach in Rente, doch Lamborghini bleibt weiterhin ein Sportwagenhersteller und stellt mit dem Diablo den Nachfolger des Countach vor. In den 12 Jahren Bauzeit des Diablo tut sich bei Lamborghini viel. Zum einen ist von der Sportwagenspeerspitze auch eine Roadster Version erhältlich und spätestens seit der Übernahme durch Audi ist der Diablo auch als VT (für Visco Traction) mit Allradantrieb zu haben.



Die letzte Ausbaustufe des Diablo (wenn auch nicht die leistungsstärkste) ist der 550 PS starke Diablo VT 6.0 SE (für Special Edition) welcher auf 44 Stück limitiert ist. Nummer 42 des ausschliesslich in Oro Elios (Gold) und Marrone Eklipsis (Braun) erhältlichen Diablo 6.0 SE steht denn auch im Lamborghini Museum in Sant'Agata.



2001 zur IAA präsentiert Lamborghini den Nachfolger des Diablo, der wiederum auf den Namen eines Kampfstieres, in diesem Falle Murcielago hört. Doch der Murcielago markiert für Lamborghini nicht nur einfach ein neues Modell, er ist auch der erste Lambo der unter der neuen Muttergesellschaft Audi entwickelt wurde. Weiterhin wird beim Spitzenmodell auf einen freisaugenden V12 mit zu Beginn 6.2 Litern Hubraum und 580 PS gesetzt. Mit der Einführung des Facelifts wurde der Hubraum um 0.3 Liter auf 6.5 Liter aufgebohrt, was die Leistung auf 640 PS ansteigen liess. Wie bei Audi typisch wird der Murcielago stets über alle vier Räder angetrieben.



Die 2009 enthüllte Lamborghini den Roadster auf Basis des Facelifts, dessen Leistung nochmals um 10 PS anstieg, damit zwischen der leichteren geschlossenen und der schwereren offenen Variante keine Unterschiede in Punkto Fahrleitungen bestehen.

Schon 2 Jahre zuvor, also 2007 legte Lamborghini den auf 20 Stück limitierten Reventon auf. Dieser basiert auf dem Murcielago, wurde aber gegenüber diesem stark überarbeitet. Der Innenraum besteht komplett aus Carbon und Alcantara und anstelle des üblichen Tacho wurde auf zwei TFT Displays welche in ihrer Darstellung einem Kampfjet Cockpit nachempfunden sind gesetzt. Überhaupt ist das gesamte Design des Reventon einem Kampfjet (nämlich dem F22 Raptor) nachempfunden.



Lamborghini wurde schnell klar, dass sich mit solchen Sonderserien viel Geld verdienen lässt. So betrug der Preis für einen Reventon damals exakt eine Million Euro. Kein Wunder liess Lamborghini dem geschlossenen Reventon eine nochmals auf 20 Stück limitierte Roadster Version folgen. Wer einen solchen kaufen wollte (wenn ihm denn einer angeboten wurde) der wurde um EUR 1'100'000 erleichtert. Ihr denkt nun, wer bezahlt denn so viel für einen etwas geänderten Murcielago?



Nun in der Schweiz stehen zurzeit zwei Reventon Roadster und ein Coupé zum Verkauf. Alle knapp 4'000 Kilometer gelaufen, Kostenpunkt: zwischen 1.8 und 2 Millionen Franken. Eines ist demnach (leider) klar. Wer die Chance bekommt einen solchen Reventon neu zu kaufen wird ihn das tun, nur schon aus reinen Investitionsgründen. Wer würde nicht 4000 Kilometer mit einem Lamborghini fahren und dabei in ein paar Jahren über 800'000 Franken verdienen?

Doch weiter in der Lamborghini Geschichte. Parallel zum Murcielago wurde 2003 der kleine Lamborghini, der Gallardo präsentiert. Mit ihm hat nun endgültig das wirtschaftliche Denken von Audi in Sant'Agata Einzug gehalten. Synergien nutzen, zahlreiche Varianten offerieren und unzählige Sondermodelle bauen lautet die Devise. Die Synergien gehen beispielsweise soweit, dass der Tacho des Gallardo quasi identisch ist mit dem eines Audi A4 aus dem Jahr 2000 ist, die zahlreichen Varianten bestehen aus Allrad- oder Heckantrieb, Coupé oder Spyder, Normal Version oder Superleggera sowie alle Kombinationen davon.

Und weil sich ja mit den Sonderserien so viel gutes Geld verdienen lässt wurden vom Gallardo nicht weniger als 16! verschiedene Sondermodelle aufgelegt. Alle zu nennen wäre an dieser Stelle zu viel des Guten, doch das beste am Gallardo ist ohnehin sein V10. Zu Beginn 5.0 Liter gross, ab 2008 nach dem ersten der beiden Facelifts auf 5.2 Liter aufgebohrt, leistet dieser ja nach Version zwischen 500 und 570 PS. Mit dem Gallardo verbinde ich denn auch ein persönlich ganz spezielles Erlebnis, war doch ein LP 560-4 Spyder im Juli Grund und Anlass, diesen Blog ins Leben zu rufen.

Nach 10 Jahren Bauzeit und über 14'000 verkauften Gallardos wurde dieser 2014 durch den Huracán abgelöst. Schon drei Jahre zuvor, also 2011 brachte Lamborghini den 700 PS starken Aventador als Nachfolger des Murcielago auf den Markt. Weiterhin wird in der sportlichen Speerspitze auf einen V12 Sauger mit 6.5 Litern Hubraum gesetzt. Somit zählt Lamborghini heute zu den wenigen Herstellern, welche keine Turbomotoren im Programm haben. Ob das noch dem langjährigen Testfahrer Valentino Balboni zu verdanken ist, der einst sagte: Wer einen Turbomotor fährt ist zu dumm einen Sauger zu fahren, ist nicht restlos geklärt.



So endet die Tour durchs Lamborghini Museum bzw. der Modellgeschichte hier. Natürlich sind auch die vielen Einzelstücke und Kleinstserien wie der Egoista (1 Stück), der Veneno (3 Stück) oder der Sesto Elemento (1 Stück) zu betrachten, doch als letztes Exponat auf dem Rundgang steht der wahrscheinlich schönste Lamborghini überhaupt, der Miura Roadster. Von ihm entstand genau ein einzelnes Exemplar, welches heute einem Schweizer Sammler gehört, aber gerade als Leihgabe im Museum in Sant'Agata steht.




Mehr Lamborghini gibt's hier.

05.04.2017

Text: Tom's Car Blog
Bilder: Tom's Car Blog