Muskelkater - Das Jaguar F-Type R Coupé



Unverhofft kommt oft - so eine bekannte Redensart welche bestens auf die Art und Weise zutrifft, wie ich letzthin an einem Samstagnachmittag dazu kam das Jaguar F-Type R Coupé zu fahren.

Angezogen durch einen weissen F-Type V8 S Roadster, welcher im Internet zum Verkauf stand, entschlossen wir uns dem örtlichen Jaguar Händler einen Besuch abzustatten, um das Objekt der Begierde von Nahem begutachten zu können. Leider erwies sich dieser gerade als "an einen guten Freund des Hauses ausgeliehen". Schon klar, wer sagt schon nein, wenn er für ein Wochenende einen brandneuen, wunderschönen und erst noch 495 PS starken 2-Sitzer ausgeliehen bekommt? 

Da der Verkäufer merkt, dass unserseits das Interesse am F-Type V8 S Roadster trotz dieser Aussage immer noch besteht, und ich scheinbar Besitzer des direkten Konkurrenzprodukts Porsche 911 Carrera S Cabrio bin, schiebt er nach ein paar Sätzen über die Vorzüge des Wagens nach: "...aber sie können das Coupé mit dem 5.0-Liter V8 Probefahren, wenn sie mögen?"

Das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen, worauf der Verkäufer kurz verschwindet um einige Augenblicke später unüberhörbar den stärksten serienmässigen F-Type vorzufahren. Gegenüber dem Roadster hat Jaguar beim Coupé nämlich nochmals 55 PS auf nunmehr 550 PS draufgepackt. Und auch das Drehmoment wurde von 625 Nm auf satte 680 Nm erhöht. Beste Voraussetzungen also für ein bisschen Spass, denn wir dürfen nicht mehr als eine halbe Stunde, danach muss der Wagen in die Aufbereitung, denn am Montag kommt ihn der künftige Besitzer abholen. 


Also Platz genommen, in den sogenannten Performance-Sitzen, welche bei den V8 Modellen serienmässig sind (bei den V6 Modellen optional für 4'000 Franken erhältlich, aber ein absolutes Muss aus meiner Sicht), sich mit den nötigsten Schaltern und Knöpfen vertraut gemacht und auf den goldenen Engine-Start-Knopf gedrückt. Überhaupt sind alle wichtigen Schalter im F-Type in orange-gold gehalten. Die Schaltwippen am Lenkrad, der Startknopf und der Regler für verschiedenen Fahrmodi.  


Der Kompressor-V8 brüllt mit fast schon vulgärem Fauchen los, und wenn der Fahrmodus auf Dynamik gestellt und die Klappen der Sportabgasanlage geöffnet werden, scheint der F-Type auch seine allerletzten Manieren zu verlieren. Er faucht, schiesst und röhrt so dass man für einen Moment das Gefühl hat, es handle sich um einen Rennwagen. Wer nun wissen will wie viel Arbeit in den auditiven Auftritt des F-Type investiert wurde, der lese das Interview mit Ashley Gillibrand, dem "Schöpfer" dieses Klangs.

Aufgrund der relativ knappen Zeit lassen wir sämtliche Vorspiele sein, legen den Fahrmodusschalter auf Dynamik, und öffnen die Klappen der Sportabgasanlage. Das Fahrwerk wird härter, die Lenkung direkter, die Schaltzeiten kürzer und die Gasannahme noch direkter. 



Das Coupé fährt sich sehr einfach, auch wenn die Übersichtlichkeit nach hinten stark eingeschränkt ist. Die Lenkung ist direkter als erwartet, was das hilft  das Leergewicht von fast 1'900 kg (mit Fahrer und Beifahrer knacken wir hier locker die 2 Tonnen Marke) zu kaschieren. Trotzdem ist er  verglichen mit seinem Konkurrenten aus Zuffenhausen nicht ganz so agil, bietet dafür aber im Innenraum subjektiv deutlich mehr Platz.

Die Verarbeitung ist soweit tadellos, was man bei einem knapp 500 Kilometer alten und über 140'000 Franken teuren Wagen auch erwarten kann. Ob das auch nach einigen Jahren so bleibt, muss der F-Type erst noch beweisen. Sicherlich bleibt in der Zeit die Freude über die kleinen Gimmicks wie den ausfahrbaren Lüftungsdüsen, oder den mit einem Display versehenen Regler der Klimaanlage bestehen.





Zugegeben im Alter der Doppelkupplungsgetriebe halte ich alles was nicht ein solches ist für veraltet (die traditionelle 6-Gang Handschaltung geht auch noch knapp durch, aber auch nur bei Modellen bei denen kein Doppelkupplungsgetriebe erhältlich ist). So müsste ich eigentlich bei der neuen ZF 8-Gang-Automatik im F-Type Abstriche machen, doch werde ich hier eines besseren belehrt. Eine derart sportliche Wandlerautomatik habe ich bisher noch nicht erlebt, und ja, man vermisst ein Doppelkupplungsgetriebe im F-Type nicht. Selbst wenn bei Kickdown kurz runtergeschaltet werden muss, liegt keine mühsame Gedenksekunde vor. Auch das Hochschalten fällt äussert kurz aus, und der grosse V8 untermal dies mit herrlichen Rotzen aus seinen vier Endrohren.




Nach rund 20 Kilometer über Land, durchs Dorf und etwas Schweizer Autobahn lässt sich zwar kein breit abgestütztes Fazit ziehen, doch sicher ist, dass das Jaguar F-Type Coupé ein wunderschöner, sportlicher und bis auf wenige Wintertage wohl der perfekte Gran Turismo ist, den man zur Zeit in dieser Preisklasse kaufen kann. Er ist alltagstauglicher als ein 911 Carrera S, hierzulande seltener und im täglichen Gebrauch kaum langsamer. Und dann ist da dieser V8 Sound. Sorry liebe Freunde des V10 und V12, aber wenn ich könnte würde ich neben einem V8 F-Type mit laufendem Motor arbeiten, essen und schlafen.

Zudem stelle ich den Antrag das Wort "Ohrgasmus" mit folgender Definition in den Duden aufzunehmen:
Ohrgasmus - Substantiv, maskulin. Worttrennung Ohr¦gas¦mus. 
Bedeutung: stark erregendes Gefühl verursacht durch den Ton eines beschleunigenden Jaguar F-Type mit V8 Verbrennungsmotor.

Wer nun den denkt, ich neige zum Übertreiben, der möge sich dieses Video in einer angemessenen Lautstärke ansehen.



So stelle ich das Coupé mit einem breiten Grinsen im Gesicht dem Jaguar Händler zurück, denn ich habe ihn gefunden. Den Cabrio-Nachfolger meines 911ers. Auch wenn das Coupé alltagstauglicher sein mag. Diesen Hobel musst du oben ohne kaufen.

Mehr Jaguar gibt's hier.


11.12.2014

Text: Tom's Car Blog
Bilder: Werk / Tom's Car Blog