Die To Drive 2016 Liste umfasst 8 Fahrzeuge. Eines davon ist der Maserati 3200 GT, und diesen konnte ich letzthin von Andermatt über den Gotthard und zurück bewegen. Eine Ausfahrt in einem Italienischen "future classic" mit V8-Biturbo.
1998, also ein Jahr bevor Maserati den 3200 GT vorstellen sollte, wird die Marke mit dem Dreizack von Ferrari übernommen. Die Fachwelt war daher umso gespannter, wie denn das erste Auto der Allianz zwischen den einst verfeindeten Herstellern Maserati und Ferrari ausfallen sollte. Bis auf wenige Teile im Motorraum, die noch aus den Maserati-Biturbo Zeiten stammen, wurde das von Giorgetto Giugiaro designete Coupé auch unter dem Blechkleid neu entwickelt. So wurde der Maserati 3200 GT, wie der Name vermuten lässt, mit einem 3.2 Liter grossen Motor geboren. Anders als man auf den ersten Blick annehmen könnte, verteilt sich dieser jedoch nicht auf sechs sondern auf deren acht Töpfe. Um genügend Leistung zur Verfügung zu stellen, wird der V8 von zwei IHI-Turboladern mit maximal 0.95 bar Ladedruck zwangsbeatmet, was letzten Endes in 370 PS Leistung und 491 Nm Drehmoment gipfelt.
Doch bevor ich diese "macchina" bewege studiere ich das Auto im Detail, was beim weiteren Lesen dieses Berichts einleuchten wird. Mein Testexemplar ist Baujahr August 2001, also ein spätes denn nach 4795 gebauten 3200 GTs war Ende 2001 Schluss. Seither hat der Italiener rund 44 Tausend Kilometer abgespult, vorwiegend durch einen Herrn mit Baujahr 1946. Schalten und walten heisst es in diesem Coupé, denn für Automaten aus dieser Zeit ist Doppelkupplung ein Fremdwort und vier Gänge das Maximum was man im Maserati Lager zur Verfügung hatte.
Wenn man sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt umsieht, dann wird man schnell merken, dass der 3200 GT wohl für jeden Erstbesitzer ein Zweit-, wenn nicht Drittwagen war, anders kann ich mir Farbkombinationen wie silber/rot, rot/beige oder schwarz/grün nicht erklären. Doch schliesslich gab sich Maserati damals hinsichtlich Verarbeitung und Materialqualität deutlich mehr Mühe als bei den Vorgängern, weshalb ich diesem Umstand durch eine schöne Farbkombination (schwarz/beige) Rechnung tragen möchte.
Bevor's aber über den besagten Pass geht, noch einen letzten Blick auf das wahrscheinlich hervorstechendste Designelement des 3200 GT, die Boomerang Rücklichter. Ein solches war und ist bis heute in der Automobillandschaft einzigartig. Jedoch konnte Maserati diese Lichter bei den Nachfolgemodellen (dem 4200 GT und dem Spyder) nicht mehr verbauen. Zu verdanken haben wir das den Amerikanern, bzw. deren Zulassungsbehörde. Die sahen nämlich in den Boomerang Lichtern eine zu kleine Fläche was als zu gefährlich für den Amerikanischen Automarkt eingestuft wurde. Da Maserati aber damals wie heute auf Stückzahlen angewiesen war, wurde besagter corpus delicti beim Nachfolger durch das Modell "Elefantenfuss" ersetzt.
Doch fertig Theorie jetzt folgt die Praxis. Also Platz nehmen auf den beigen Conollyleder Sesseln (Sportsitze schienen damals nicht im Lastenheft zu stehen), sich mit der sehr eng sitzenden Pedalerie vertraut machen, und den Schlüssel in Stufe 2 stellen. Was nun erscheint lässt Santa Claus neidisch werden. Der Christbaum im Armaturenbrett leuchtet kunderbunt rot, gelb und grün. Nach einigen Sekunden gehen die meisten davon wieder aus, und dem Zwergen-V8 kann endlich Leben eingehaucht werden, was er mit dumpfen Grollen zu bedanken weiss.
Auf den ersten Metern von Andermatt in Richtung Gotthard Hospiz wünsche ich mir die Füsse einer Thailändischen Masseurin, die hauptberuflich über die verspannten Rücken ihrer Kundschaft läuft. Zum einen ist der Weg zwischen durchgetretenem Kupplungspedal und Schleifpunkt schmaler als Uli Forte's Zahnlücke, zum andern ist die Gasannahme etwa so sensibel wie ein Fussballer im gegnerischen Strafraum. In Verbindung mit 9 Grad Aussentemperatur, nasser Strasse, Heckantrieb, ordentlich Drehmoment aus dem Keller, Sommerreifen und unbekanntem Fahrverhalten eine durchaus nette Beschäftigung.
Die Strasse hoch zum Hospiz ist ideales Geläuf für das Italo Coupé, viele schnelle und langsame Kurven und Kehren verlangen dem Fahrer ein Zusammenspiel zwischen Hand und Fuss ab, welches mehr Arbeit bedeutet als ursprünglich gedacht. Der Dreizack hat zwar sein maximales Drehmoment bei 4500/min, doch bei etwas über 2000/min schiebt er schon ziemlich ordentlich an. V8 halt, wenn auch im Hobbit-Format. Oben rum kommt dann nicht mehr so viel an Leistungsexplosion, was letzten Endes dazu führt, dass der Maserati gerne in einem eher engeren Drehzahlband bei Laune gehalten werden will. Doch genau das macht den Reiz des 3200 GT aus. Er will deine Aufmerksamkeit als Fahrer, er will dass du dich mit ihm auseinandersetzt, da ist nie und nichts mit ein bisschen Fummeln am Handy (was wir ja ohnehin nie tun würden) oder rumspielen an irgendwelchen Knöpfen. Die Lenkung ist zum einen sehr direkt und zum andern auch noch leichtgängig. Eine Kombination die Fahren mit allen Sinnen verlangt.
Das ist auch gut so, denn das Pfeiffen der Turbos, das dumpfe Midget-V8-Grollen, und die schlagartig einsetzende Leistung zaubern dir stets ein Lächeln aufs Gesicht. Runterbremsen, Zwischengasstoss, und danach wieder unter den Ansauggeräuschen beschleunigen, ein herrliches Spiel für das die Strecke zum Gotthard Hospiz viel zu kurz ist.
Bergab in Richtung Tessin erfreue ich mich an den vielen netten und mit Italienischem Flair versehenen Details. So ist beispielsweise die Instrumentenbeleuchtung (wie bei Maserati und damals auch Ferrari) grün unterlegt, die Tacho- und Drehzahlbeschriftung in fast schon barocker Schriftart gehalten, und die Schalter auf ein Minimum reduziert (ich glaube es gibt nur deren acht). Die Tachonadel kann gar nie unter 20km/h fallen, was durch einen Stift verhindert wird, und ein Blick in die hoch angesetzten Seitenspiegel führt dann auch dazu, dass die Seitenlinie des Maserati wunderbar geschwungen betrachtet werden kann.
Doch bergauf Fahren ist schliesslich unterhaltsamer als runter, also umdrehen und dieses Mal etwas dynamischer zum Hospiz hochfahren als zu Beginn der Tour. Schon nach wenigen Metern wird mir klar, der Hobel ist ein wahrer Freudenspender, auch wenn zügiges Fahren im 3200 GT aufwändig und mit viel Arbeit verbunden ist, so ist es genau das was ich mag. In modernen Autos wird das schnelle und zügige Vorwärtskommen stets von elektronischen Helfern übernommen. Du kannst dich nicht mehr verschalten und musst wenn überhaupt nur noch einem Paddel ziehen. Du kannst in den meisten Kurven voll auf den Pinsel treten und wenn der Wagen merkt, dass sich das nicht ausgeht, dann wirst du von ihm halt korrigiert und die Elektronik greift ein. Beim 3200 GT sind wir weit davon entfernt, dass hier irgend ein System irgendetwas sagt bzw. unterbindet. Ein bisschen ABS ist zwar mit an Bord, aber das war's dann auch.
Und so frage ich mich, ist das nicht genau das was ich will? Macht nicht genau das den Reiz des Autofahrens aus? Sich damit auseinanderzusetzen? Sich immer überlegen zu müssen, was noch geht und was nicht mehr? Ist es nicht schön etwas zu bedienen bei dem man Fehler machen kann, die man am Ende auch selber ausbaden muss? Klar, immer, überall, und jederzeit müsste ich das nicht haben, aber für eben die speziellen Momente, will man da nicht "the beauty and the beast"? Wollen wir Männer am Tag nicht eine Lady und für die anderen Stunden etwas mehr "arrabiata"?
Sicher ist so ein 3200 GT nicht frei von Fehler und Macken und aller Wahrscheinlichkeit nach heimst man sich mit so einem Wagen auch eine Menge Ärgernis und teilweise ungewollte Auseinandersetzungen mit ein. Doch mit Sicherheit ist er charismatisch, profiliert und ein Ausbund an Emotionen. Wer einen zügigen und verlässlichen Alltagswagen, sowie einen schnellen Sportwagen in der Garage stehen hat, der wird mit einem Maserati 3200 GT an einer weiteren Stelle abgeholt.
Mit diesen Gedanken im Kopf fahre ich die verbleibenden Meter zurück zum Autohändler, um dort als letzten Akt den Kaufvertrag zu unterschreiben.
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24.06.2016
Text: Tom's Car Blog
Bilder: Tom's Car Blog