Die neuen Powerbrezen - BMW M3 / M4

Was konnte man nicht alles in der Presse lesen über den Neuen, den ersten BMW M4. BMW breche alle Traditionen hiess es, weil der M3 der neuen Nomenklatur wegen nun M4 heisst und nicht wie in der seit 1986 andauernden Historie einen Saug- sondern einen Turbomotor besitzt.

Mit der Frage, ob all dieses Gefasel und die damit verbundenen Zweifel gerechtfertigt sind, fahre ich bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt ins Fürstentum Liechtenstein.


Beim eigentlichen BMW-Alpina Spezialisten Max Heidegger in Vaduz angekommen, blickt mich denn auch gleich die neueste Powerbrezen aus München mit ihren unverkennbar markanten Lufteinlässen in der Frontschürze und dem Powerdome auf der Motorhaube an. Der M4 sieht bereits im Stand aus, als wolle er dir sagen: Allzeit bereit!

Die breit ausgestellten Kotflügel vorne, das Dach aus Kohlefaserlaminat, die kleine Abrisskante am aus CFK gefertigten Heckdeckel und die vier dicken Endrohre (die seit nunmehr drei Generationen beim M3 und neu M4 serienmässig sind) runden den maskulinen Auftritt ab. Beim Anblick dieser stellt sich unvermeidlich die Frage, ob der Turbo genauso gut klingt wie der V8 Sauger im Vorgänger? Ich bin der erste der heute ran darf, also nichts wie los, den Startknopf drücken und hören wie er klingt. In kaltem Zustand reicht schon die etwas erhöhte Leerlaufdrehzahl um die Tafel einen Meter hinter dem Wagen zum Vibrieren zu bringen, und einen kurzen Gasstoss später tut es ihr die Scheibe des Showrooms gleich. Der Verkäufer wünscht mir viel Vergnügen und überlässt mir noch einen kleinen Ratschlag: "Sei vorsichtig mit den Sommerreifen bei dem Wetter."

Ich denke mir zwar nicht sonderlich viel bei dem Satz, lasse es aber dennoch langsam angehen, schliesslich liegen die 550 Nm bereits bei 1850/min an. Schon auf den ersten Metern fühlt sich das M4 Coupé deutlich sportlicher an die übrigen 3er und 4er Modelle. So ist die Lenkung direkter, die Dämpfung deutlich straffer, und die Bremse packt fester zu, auch wenn mein Testexemplar ohne die 10'060 Franken teure M Carbon-Keramik-Bremsanlage ausgerüstet ist. Die Gangwechsel des 7-Gang Doppelkupplungsgetriebes (optional ist auch eine 6-Gang-Handschaltung erhältlich) sind kurz und gäbe es für den Fahrer keine Anzeige die über den gegenwärtig eingelegten Gang informiert, würde dieser die Wechsel auch kaum bemerken, vorausgesetzt die Charakteristik des Getriebes ist auf normal und nicht auf Sport plus gesetzt.

Doch sobald Motor, Getriebe und Lenkung auf Sport gestellt werden, ändert sich das alles. Vorbei ist es mit der Idylle im Ländle und der Reihensechszylinder lässt seine Umgebung wissen, dass Understatement nicht zuoberst in seinem Lastenheft stand. Jeder runterschalten wird mit Zwischengas quittiert und auch beim Hochschalten lässt der 3.0-Liter dem Gangwechsel ein dumpfes Blubbern folgen. Die Route ändert sich, vom gemütlichen innerorts cruisen, hin zur verwinkelten Bergstrasse. Die früheren M3 hatten nebst der Rennstrecke gerade hier ihre Paradedisziplin. Eines meiner persönlich prägendsten Erlebnisse war denn auch am Steuer eines E46 M3 von Locarno den Monte Bré hoch. Mein damaliger Beifahrer erzählt noch heute davon, wie Leistungsentfaltung, Fahrwerk und Bremse wie gemacht waren für solche Passstrassen.

Doch wir sind nun in der Entwicklung zwei Generationen weiter, bei Nieselregen, 0.5°C Aussentemperatur mit 19 Zoll Sommerreifen und Heckantrieb über den St. Luzisteig unterwegs. Diese Voraussetzungen in Verbindung mit dem früh anliegenden Drehmoment (zur Erinnerung 550 Nm bei 1850/min) führen zu keiner fruchtbaren Lösung. Jeder Versuch im 2. Gang auch nur ein bisschen Gas zu geben wird umgehend elektronisch eingebremst, ganz zu schweigen davon, wenn dabei noch Strassenmarkierungen überfahren werden. Also muss ein höherer Gang her. Selbst im dritten und mit etwas provozieren auch im vierten, blinkt die gelbe ESP-Lampe noch auf. Die flinke Kurvenhatz muss ich mir also heute abstreichen, dafür sind die Bedingungen schlicht zu widrig.

Wenigstens führt von der andern Seite des St. Luzisteig eine Autobahn zurück nach Vaduz, sodass ich vielleicht auf ebener und etwas breiterer Strasse ein paar Beschleunigungsorgien durchführen kann, was mir denn auch gelingen sollte. Endlich zeigt sich wieviel Druck der M4 hat. Die zwei kleinen Lader schieben schon im unteren Drehzahlbereich mächtig an, lassen im mittleren Bereich nicht nach und drehen erst noch bis 7'600/min hoch. Hier haben die Bayrischen Motoren Werke dem M Namen wieder einmal alle Ehre erwiesen. Besonders schön zu sehen ist, dass auch im neuen M4 ab 4500/min kleine rote Leuchtdioden auf den herannahenden optimalen Schaltpunkt hinweisen. Zack, an rechten, mit dem Lenkrad mitdrehenden Schaltwippe ziehen und dem herrlichen Rotzen aus dem dicken Auspuff horchen. Wer dieses Rösslispiel perfekt exerziert wird mit einer Zeit von 4.1 Sekunden für den Standardsprint auf 100 km/h belohnt.


Der S55B30 genannte Motor ist schlichtweg eine Wucht. Er stammt in seinen Grundzügen vom bekannten 3.0-Liter-Reihensechszylinder in verschiedenen 35i Varianten ab, welche dort aber nur von einem grossen Turbo und nicht wie hier von zwei kleinen beatmet wird. Darüber hinaus sind im M-Aggregat eine leichtere Kurbelwelle sowie neue Kolben und Pleuel verbaut. Wer nun denkt, so gross kann der Unterschied nicht sein, der irrt gewaltig. Der Bi-Turbo dreht um einiges freudiger hoch und spricht dabei deutlich schneller an als der frühere Mono-Turbo. Verglichen mit dem V8 im Vorgänger steigt die Leistung zwar lediglich um 11 auf nunmehr 431 PS, dafür aber steigt das Drehmoment um satte 150 Nm. Gerade diese Steigerung macht hinsichtlich Performance den Vorsprung des neuen M3/M4 gegenüber dem Vorgänger aus.

Ehe ich mich versah war ich wieder zurück in Vaduz und musste den M4 zurückgeben. Doch damit war's noch nicht getan. Im Wissen darum, dass ich bis anhin noch nie einen M3 F80, also die Limousine des M4 gesehen habe, brachte mich der Verkäufer in die Lackiererei, um ein schwarzes Exemplar zu begutachten. Der Unterschied fällt sofort ins Auge, die Limousine wirkt auf Grund ihrer Proportionen und den massiv ausgeprägten hinteren Kotflügeln deutlich kürzer als das Coupé. Und obwohl die schwarze Limousine nur auf 18 Zoll Winterreifen dasteht, zeihe ich wohl zum ersten Mal auch optisch eine Limousine einem Coupé vor.

Fazit: Das Auto das du kaufen musst heisst immer noch M3, es ist nun halt eine Limousine, die aber für meinen Geschmack deutlich besser aussieht, mehr Alltagstauglichkeit bietet und erst noch gleich schnell ist wie das Coupé. Beim Motor knüpft BMW da an, wo der Vorgänger aufgehört hat. Der V8 war zweifelsohne ein Sahnestück, doch war er in seiner Grösse und Leistung für ein serienmässiges Mittelklasse-Auto ausgereizt. Der Turbo passt gut zum M3, auch wenn er allen Helferlein zum Trotz nicht ganz so direkt anspricht wie sein frei Saugender Vorgänger und etwas weniger infernalisch kling. Doch die 150 Nm mehr Drehmoment bringen das Leistungsvermögen des M3 deutlich nach oben, weshalb der neue dem V8 vorzuziehen ist.

Mehr BMW gibts hier. 



23.12.2014

Text: Tom's Car Blog
Bilder: Tom's Car Blog