Hör mal wer da hämmert - Maserati Gran Turismo Sport

Quattroporte, Ghilbli, California T und 488 GTB, sie alle setzen auf Turbomotoren, entwickelt im Hause Ferrari. Der Gran Turismo Sport von Maserati ist daher der letzte italienische GT der auf einen traditionellen V8 Sauger von Ferrari setzt. Anlass genug mit dem wunderschönen Coupé eine Runde zu drehen.



Die Italiener halten ja gerne an Traditionen fest, und das ist auch gut so. Der Maserati Gran Turismo ist im Grunde ein bekannter GT, immerhin ziert er unser Strassenbild seit 2007 und basiert auf dem Quattroporte, welcher nochmals vier Jahre älter ist. Dennoch haben die Herren in Modena das Coupé in all den Jahren immer wieder etwas verfeinert. Aus ursprünglich 405 PS aus 4.2 Litern Hubraum wurden inzwischen 460 Pferdchen aus 4.7 Litern. Designmässig musste der GranTurismo sich auch dem einen oder andern Facelift unterziehen, doch im Grunde blieb er dabei stets was er immer war: einer der schönsten frei käuflichen Gran Turismo überhaupt.

Mit fast 4,9 Metern Länge ist es zwar nicht sonderlich schwer dem Wagen eine Linie zu geben, aber dementsprechend ausladend und schwer wird der Wagen halt nun mal. Womit wir auch gleich beim eigentlichen Problem des Maserati wären. Er ist irgendwie einfach zu gross für einen Sportwagen, und mit rund 1.9 Tonnen auch beileibe kein Leichtgewicht. Wer sich obiges Bild genau anschaut, der sieht wie lang die Schnauze des Maserati wirklich ist. Es sieht schon fast so aus, als sässe der Fahrer im hintersten Drittel des Wagens, was die Hauptschuld daran trägt, weshalb die Übersichtlichkeit nach vorn gleich Null ist. Einen Kurvenscheitelpunkt genau anpeilen Bedarf im Maserati etwas Übung.

Allererste Sahne ist aber der Sound. Werte Ohrgasmus-Fraktion, hier kommt einer, der steht dem F-Type in nichts nach. Der Gran Turismo Sport (und nur der Sport) schreit förmlich danach bewegt zu werden. Also Zündschlüssel drehen, den Startknopf drücken, die halbe Sekunde das Anlassersurren geniessen ehe alles zu spät ist. Von nun an melden sich die acht Töpfe derart laut zum Dienst, dass eigentlich ein Intercom in der Optionsliste angekreuzt werden müsste. Egal welcher italienische Sportwagen heute noch über den Hof unserers Autohändlers rollte, keiner kam auch nur ansatzweise an den GT Sport heran (vielleicht mit Ausnahme des 430 Scuderia). 

Wählhebel in D gestellt, (ich fahre die Version mit dem ZF Automatikgetriebe, von der elektrohydraulischen Version habe ich zu viel schlechtes gehört, so z.B. von Jeremy Clarkson: In a list of the five most rubbish things in the world, I'd have America's foreign policy at five. Aids at four. Iran's nuclear programme at three. Gordon Brown at two and Maserati's gearbox at number one. It is that bad.) irgendwie über die lange Schnauze hinweg die Strasse erkannt, und vom Hof gebraust. Akustisch hat das alles mehr von einem Boot das den Hafen verlässt, als von einem Auto.

Lenkung und Gasannahme sind sehr direkt, die Dämpfung erstaunlich straff. Vielleich fast einen Ticken zu straff für einen Wagen der für die grosse Reise (Gran Turismo) ausgelegt ist. Doch ich mag Fahrwerke welche im Zweifel etwas zu hart als zu weich ausgelegt sind. Nach ein bisschen gemütlichem warmfahren und vertraut machen mit den Dimensionen, beginne ich mehr und mehr mit dem Quell der Freude, dem Pinsel ganz rechts zu spielen. Doch nicht nur dieser allein zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht, in Verbindung mit der gedrückten Sporttaste öffnen sich die Auspuffklappen und spätestens jetzt sind die letzten Manieren des Italieners flöten gegangen. Niemand, ja wirklich niemand am Strassenrand, kann sich dieser Klangkulisse entziehen. Die kleinen Jungs halten den Daumen hoch, ältere Autoenthusiasten schauen dem Maserati nach als sei es Giselle Bündchen, die Grünen gehen nach Hause und schreiben eine neue Lärm-Emissionsvorschrift, und die lästigen Velofahrer dürften vom Klangteppich eigentlich glatt von ihrem Drahtesel fallen. Der Gran Turismo S ist das Mekka und der heilige Gral der V8-Sauger-Soundfetischisten in einem. 



Autobahneinfahrt, den Berg hoch (Pfäffikon SZ in Richtung Zürich für die die's kennen). Vollgas. Der 4.7-Liter-V8 dreht in den unteren drei Gängen schnell hoch, was er auch muss, denn Drehmoment aus dem Drehzahlkeller ist für ihn ein Fremdwort, Drehzahl gleich Vortrieb gilt hier. Maserati gibt zwar 4.7 Sekunden für den Sprint auf 100km/h an, doch nur auf ebener Strecke. Diesen Wert habe ich subjektiv weit verfehlt, macht aber nichts, so kann ich länger dem V8 Sound frönen. Doch dann kam, was wohl niemand erwartet hat, und ich muss zugeben, ich habe die Wiederauferstehung der Dinosaurier und einen Fussball-Weltmeistertitel von Südtaiwan für wahrscheinlicher gehalten. Mir wurde es zu laut. Ich musste den Sportknopf deaktivieren. Jawohl, im 6. Gang, bei voll geöffneten Drossel- und Auspuffklappen unter Volllast bei 3'000/min habe ich kapituliert. Der V10 im offenen Gallardo im Tunnel, der 6.2-Liter im AMG V8, und die in ihrer letzten Ausbaustufe auf Grund der Lärmemissionen im Strassenverkehr nicht mehr erlaubte Eisenmann-Auspuffanlage am E46 M3 konnten nicht ausrichten, was der GT Sport im Stande war. Werte Leserschaft ich bin weder verweichlicht noch schwul geworden, ich schaue Porsche Supercup ganz und DTM-Rennen teilweise ohne Oropax, aber die Resonanzen im Maserati verlangten an diesem Tag nach einem Pamir. 


Während ich mich von dieser Schmach zu erholen versuche, erfreue ich mich am Innern des Maserati. Mein Testwagen scheint zwar kaum Optionen an Bord zu haben, denn der Testwagenpreis beläuft sich lediglich auf knappe 130'000 Franken. Mit einer Laufleistung von unter 100 Kilometern kann mein Testwagen als extra vergine bezeichnet werden und der tiefe Neupreis nur durch eine spartanische Ausstattung zustande kommen.

Die Lederausstattung ist serienmässig, gut verarbeitet und sieht auch wirklich schön aus, die Sportsitze sind für die gebotenen längs- und querdynamischen Fahrleistungen etwas gar optimistisch ausgelegt, hier wäre etwas mehr Fokus auf Komfort dem Gesamtkonzept des Wagens besser angepasst. Ich weiss, dass bei Maserati wunderschöner Klavierlack erhältlich wäre, doch in meinem Testexemplar muss ich mit der Plastiklandschaft um die Mittelkonsole vorlieb nehmen. Die paar Franken Aufpreis wären hier sicherlich nicht falsch investiert gewesen.

Was kann der Maserati sonst noch? Saufen. Und wie. Er säuft etwa so wie er klingt: saumässig und unerbittlich. Wer sich Mühe gibt und das Fahrerlebnis auf ein Minimum kastrieren will, kommt wohl mit unter 10 Litern auf 100 Kilometern weg, doch wer den Sound, die Drehfreude und die Emotion geniesst kann getrost nochmal die Hälfte drauf legen.

Für wen ist der Maserati Gran Turismo Sport denn nun die richtige Wahl? Sicherlich gibt es Autos die den Maserati fahrdynamisch alt aussehen lassen, und das erst noch für die Hälfte des Preises. Wer aber auffallen will, Wert auf Optik und Akustik legt, und dies mit einer gewissen italienischen Lebensfreude untermalen will, der muss in Modena anrufen.



29.07.2015

Text: Tom's Car Blog
Bilder: Tom's Car Blog